Buchempfehlung Geopolitik von Ursula Klane 04/2025

Jimmy Carter und das andere Amerika

Autor : Harald Kiczka

Biografie, Info3 Verlag 2022

Jimmy Carter starb im Dezember 2024. Er war von 1977 bis 1981 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Biografie von Harald Kiczka beschreibt verschiedene Stationen im Leben von Carter – besonders aus dem Blickwinkel des gewählten Buchtitels.

Carter wurde 1924 in Plains, Georgia, in einem der Südstaaten der USA geboren. Damals war die Gemeinde Plains vergleichsweise klein mit 25 dunkelhäutigen und zwei hellhäutigen Familien. Carter und seine drei jüngeren Geschwister wuchsen einfach und naturnah auf, spielten überwiegend im Freien, umgeben von Tieren der Farm. Schon als Kind wünschte sich Jimmy Carter Bücher, wenn man ihn zu Anlässen wie Weihnachten nach einem Wunsch fragte.

Sein Vater war Farmer und Geschäftsmann. Er betrieb außer der Farm einen kleinen Laden in Plains, wo er bäuerliche Bedarfsartikel, Arbeitskleidung und auch Grundnahrungsmittel verkaufte. Der damals verbreitete Rassismus zwang der Bevölkerung immer noch in manchen Lebensbereichen Rassentrennung auf, die insbesondere Carters Mutter verweigerte und auch in der Öffentlichkeit demonstrativ überging.

Von 1944 bis 1953 diente Carter der US-Marine. Dort machte er dank seiner stetigen eigenständigen Fortbildung Karriere. Zuletzt war er – nach einem Studium der Kernphysik – an der Entwicklung von Atom-U-Booten leitend beteiligt.

Nach dem Tod seines Vaters kehrte er mit seiner Ehefrau Rosalynn und den drei kleinen Söhnen auf die Farm zurück. Harte Dürrejahre bescherten Georgia schwierige Ernährungs- und Einkommensverhältnisse. Carter bildete sich intensiv im Anbau von Baumwolle und Erdnüssen fort, und begann sogar Saatgut für den Anbau von Erdnüssen zu produzieren – nach ein paar Jahren mit großem wirtschaftlichen Erfolg.

Aber besonders die anhaltende Rassentrennung machte dem jungen Ehepaar Carter schwer zu schaffen. Obwohl der Oberste Gerichtshof 1954 die Rassentrennung an öffentlichen Schulen aufgehoben hatte, hinkte das Bewusstsein in der Öffentlichkeit weit hinterher. Carter bildete sich neben seiner Arbeiten als Farmer und mittlerweile Geschäftsbesitzer in Pädagogik weiter, um der Benachteiligung sozial schwacher Familien mit Kindern wie auch dunkelhäutigen Kindern eine adäquate Schulbildung zu ermöglichen. Er entschied sich, für den Senat in Georgia zu kandidieren, was 1962 aufgrund von Korruption gegen ihn scheiterte. 1963 gelang Carter der Einzug in den Senat von Georgia. Aufgrund seiner Bürgernähe und seiner pragmatischen und zu Gleichberechtigung strebenden Haltung stieg die Unterstützung in der Bevölkerung für Carter als Gouverneur in Georgia schnell an. 1971 wurde Carter zum Gouverneur gewählt. In diesem Amt angekommen, schuf Carter – damals unbewusst – viele der Voraussetzungen für seine spätere Präsidentschaft. Er las viel über (Energie-)Wirtschaft, Politik, Ökologie und Pädagogik und reiste häufig ins Ausland, um Kontakte für Georgia zu knüpfen und neues Wissen ins Land zu bringen, und um sich auf den genannten Gebieten praktisch weiter zu bilden. In dieser Amtszeit förderte er dunkelhäutige Amerikaner und insbesondere auch Frauen, in dem er sie in wichtige Ämter berief. Darüber hinaus brachte er Landschaftsschutzprogramme voran und regte Partnerschaften mit Ländern anderer Kontinente an.

Erst nach dieser Amtszeit dachte Carter über eine Kandidatur für die US-Präsidentschaft nach, und erklärte 1974 seine Kandidatur. Er trat im Wahljahr 1976 als chancenloser Außenseiter gegen Henry Ford an. Jedoch brach die Stimmung in den USA gegenüber der regierenden republikanischen Partei ein. Der geführte Vietnamkrieg hatte zu gravierendem Ansehensverlust der USA innerhalb des eigenen Landes als auch weltweit geführt, so auch die Ermordung von J.F.Kennedy 1963 und R.F.Kennedy 1968, und schließlich weitreichende Ausspionier- und Abhörskandale gegenüber der demokratischen Partei und Regierungskritikern durch die Nixon-Regierung Anfang der Siebziger-Jahre (bekannt als Watergate-Affäre). So wurde Jimmy Carter, der unbekannte Außenseiter aus einem der Südstaaten der USA, zum 39. Präsidenten gewählt.

Carter wurde während seiner Präsidentschaft als auch danach Zögerlichkeit vorgeworfen, und generell Entscheidungsschwäche. Auf internationalem Parkett gilt er immer wieder als farbloser Präsident, der seinen Aufgaben kaum gewachsen gewesen wäre. Harald Kiczka zeigt auf, dass es sich mit solchen Einschätzungen um oberflächliche und einseitige Beurteilungen handelt. Ganz im Gegenteil tat sich Carter mit der Tatsache hervor, dass die USA unter seiner Präsidentschaft keinen Krieg begannen oder führten. Weltweite Anerkennung erlangte Carter mit Friedensinitiativen von internationaler Bedeutung wie

– dem Friedensvertrag zwischen Ägypten und Israel 1978 , als erstem Friedensvertrag eines arabischen Staates mit Israel seit der Gründung des Staates Israel 1948

– der Vereinbarung zur schrittweisen Übergabe des Panama-Kanals an Panama 1978

– dem Abrüstungsabkommen SALT II mit den UDSSR im Jahr 1979.

Auch im Umweltschutz gelang Carter eine große Leistung, als er riesige Gebiete, nämlich 321.900 Mio. km2 von Alaska unter Naturschutz stellen konnte. Zahlreiche unbegradigte Flüsse konnten in ihrer Ursprünglichkeit erhalten werden. Die Maßnahme, dieses große Gebiet als Naturschutzreservat auszuweisen, brachte Carter bei Teilen der Erdölindustrie und großindustrieller Holzwirtschaft, welche eine Ausbeutung der Ressourcen anstrebten, erhebliche Feindschaften ein.

Jimmy Carter war schon als Gouverneur in Georgia innerlich unabhängig von persönlichem Ruhm oder Machtstreben, das zeigt der Autor eindrucksvoll auf. Carters angestrebte Ziele als US-Präsident – Gleichheit in der Bildung, Frieden mit anderen Staaten, Wahrung von Souveränität und Unabhängigkeit aller Staaten – standen für ihn eindeutig vor der Durchsetzung einseitiger US-Staatsinteressen. Gegen Ende von Carters Amtszeit wurden die USA mit weltpolitischen Ereignissen konfrontiert, in denen Carter wiederum nach Prinzipien von Frieden und Zusammenarbeit handelte – wohl wissend, dass ihm dies nicht zur Wiederwahl verhelfen würde.

Es wäre wünschenswert, dass die Biografie in öffentliche Bibliotheken und Medienhäuser als auch in die junge Erwachsenenbildung Einzug hält.